Entwicklung des Gymnasiums und der Realschule Ottobeuren 

  Abt Rupert Ness, Klostererbauer und Namensgeber unserer Schule


DIREKTOR PATER BLASIUS METZLER OSB  
(ein Rückblick aus dem Jahr 1974)

Das im neuen Schulzentrum zusammen mit Haupt-und Realschule untergebrachte Gymnasium Ottobeurens blickt auf eine lange Tradition zurück. In seiner Geschichte finden sich staunenswerte Blütezeiten und Höhepunkte ebenso wie bittere Rückschläge, ja, lange Unterbrechungen. Jedenfalls aber ist dieses heutige Gymnasium zu sehen im Zusammenhang der jahrhundertealten Geistesgeschichte der Abtei und der Entwicklung Ottobeurens. Vielleicht kann man sagen, daß seine Wurzeln schon in den geistigen und erzieherischen Bemühungen der romanischen Epoche der Abtei zu suchen sind. Was da schon früh, zunächst natürlich klosterintern, begonnen hat mit der Heranbildung des klösterlichen Nachwuchses und im 12. Jahrhundert durch eine Schreib-und Malschule zur Anfertigung kunstvoller Handschriften bereits ansehnliche Bedeutung über Ottobeuren hinaus gewann, das nahm einen ersten großartigen Aufschwung in der Humanistenzeit.

Inbegriff des Humanismus in Ottobeuren war der Mönch Nikolaus Ellenbog (1481-1543), der als Sohn des Memminger Arztes Dr. med. Ulrich Ellenbog seine eigene Studienlaufbahn auf der damaligen Memminger Lateinschule begonnen und später an den Universitäten Heidelberg, Krakau und Montpellier fortgesetzt und vollendet hat. Nach seinem Eintritt als Mönch in die Benediktinerabtei Ottobeuren hat er nicht nur durch seine unermüdliche und umfangreiche wissenschaftliche Arbeit auf allen möglichen Gebieten, insbesondere in seinem Lieblingsfach, der lateinischen, griechischen und hebräischen Philologie, Großes gewirkt und dabei rege Beziehungen zu den bedeutendsten Humanisten seiner Zeit unterhalten (zu Erasmus von Rotterdam, Reuchlin, Peutinger, Johannes Eck u. a.), sondern und das interessiert uns hier in erster Linie - er versuchte mit ganzem persönlichem Einsatz, auch in der benediktinischen Jugend, die ihm zu Unterricht und Erziehung anvertraut war, wissenschaftlichen Eifer und humanistischen Geist zu wecken.

Zu seinen Schülern gehörten außer den Ottobeurer Novizen auch auswärtige Jungmönche, die gastweise im Kloster weilten und von ihren Oberen dorthin geschickt wurden: ein Zeichen für das Ansehen, das Ottobeuren als Pflegestätte geistiger und geistlicher Bildung damals genossen hat. Durch sein ständiges Mahnen, die Wissenschaft zu pflegen, hat Nikolaus Ellenbog sogar geholfen, den Weg zu bereiten für eine regelrechte Ottobeurer Universität. In seinem letzten Lebensjahr (1543) durfte er es noch erleben, daß die schwäbischen Benediktinerabteien Donauwörth, Elchingen, Irsee, Ochsenhausen, Ottobeuren, Weingarten, Wiblingen und Zwiefalten unter Anregung und Führung des fürstlichen Stifts Kempten beschlossen, eine benediktinische Hoohschule in Ottobeuren zu errichten.

Mancherlei widrige Umstände führten freilich dazu, dass schon am 17. Dezember 1544 diese junge Universität Ottobeuren in das Kloster Elchingen bei Ulm verlegt wurde, das samt seiner Hohen Schule am 18. Juli 1546 dem Schmalkaldischen Krieg zum Opfer fiel. In Dillingen konnte dann 1549 diese Universitätwiederaufleben und weitergeführt werden. Das geistige Erbe Ellenbogs wurde nach seinem Tode in der Abtei Ottobeuren treulich hochgehalten und weitergetragen. Überzeugendster Beweis für das rege geistige Leben, den hohen Bildungsstand im damaligen Konvent und sein Interesse an der wissenschaftlichen Ausbildung der Jugend ist, dass es nur der weitgehenden Mitwirkung der Abtei Ottobeuren zu verdanken war, wenn 1617 wiederum eine benediktinische Universität, diesmal in Salzburg, eröffnet werden konnte. Sechs von den ersten Professoren, darunter die beiden ersten Rektoren der neuen Universität, stellte das Stift Ottobeuren; und Ottobeuren blieb auch in den folgenden Zeiten eine kräftige Stütze dieser Hohen Schule. In der Zeit von 1617 bis 1806 lehrten 22 Ottobeurer Professoren in Salzburg. Es ist erstaunlich, dass es dem Konvent möglich war, daneben im eigenen Hause die ursprünglich bescheidene Lateinschule für den Nachwuchs des Hauses zu einem großen und bedeutenden Stiftsgymnasium zu entwickeln und dazu noch eine Haushochschule für den eigenen Klosternachwuchs zu unterhalten, aus der auch Professoren für Salzburg, Freising und Fulda hervorgingen.

Die Ottobeurer Klosterschule galt als die bedeutendste in Schwaben und zog nicht nur Schüler aus Bayern, sondern auch aus der Pfalz, aus Österreich und der Schweiz, ja sogar aus Frankreich, Italien und Sardinien an. Für die hohe Schülerzahl waren zwei Internate notwendig. Besonders Begabten, unter diesen Franz Gabelsberger aus München, der später die deutsche Kurzschrift entwickelte, wurden Freiplätze gewährt. Zwölf Ordensgeistliche, unterstützt von weltlichen Hilfskräften, waren als Lehrer an der Anstalt tätig. Über den Ausbildungsgang, das Leben und Treiben in der Klosterschule berichtet ausführlich in seinen Jugenderinnerungen der Volksschriftsteller und Verfasser des bekannten Buches "Die Abenteuer der sieben Schwaben", Ludwig Aurbacher, der von 1797 bis 1801 Schüler dieser Anstalt war. Er vermittelt uns einen guten Einblick in den Lehrstoff der verschiedenen Klassen, über dessen Vielfalt man staunen muss, und lässt uns den Geist spüren, der diese Schule erfüllte. Sie fand ein jähes Ende durch die Säkularisation.

Am 1. Dezember1802, unter Abt Paulus Alt, wurde das blühende Gymnasium mit über 200 Schülern samt den beiden Internaten von der Regierung aufgehoben. Zwar setzten mehrere der Professoren, ungeachtet der Aufhebung, den Unterricht für einen Rest von Schülern unentgeltlich in Form von Privatstunden noch lange Jahre fort. Aber schließlich klafft dann doch eine Lücke von mehr als einem Jahrhundert in der Geschichte und Entwicklung des Ottobeurer Gymnasiums. Das 1802 aufgehobene Kloster wurde 1853 von König Ludwig I. von Bayern dem Orden wieder zurückgegeben, bis nach dem ersten Weltkrieg jedoch nur als abhängiges Priorat der neuen Abtei St. Stephan in Augsburg. So konnte erst Ostern 1922, nachdem kurz zuvor Ottobeuren wieder selbständige Abtei geworden war, Abt Dr. Josef Maria Einsiedler erneut eine Lateinschule ins Leben rufen. Sie umfasste, den begrenzten Möglichkeiten des Hauses entsprechend, nur die unteren vier Klassen des humanistischen Gymnasiums und hatte auch nur kurzen Bestand. Denn unter dem Druck des nationalsozialistischen Regimes musste es 1938 schon wieder seine Pforten schließen.

Der zweite Weltkrieg war jedoch kaum vorüber, als man mit staunenswertem Mut und Elan einen neuen Anlauf nahm. Am 30. April 1946 wurde wieder ein Progymnasium unter dem Namen COLLEGIUM RUPERTINUM eröffnet. In den fünfziger und sechziger Jahren hat diese klösterliche Internatsschule, die auch von zahlreichen externen Schülern aus Ottobeuren und Umgebung besucht wurde und bis 1959 vom damaligen Prior des Klosters, P. Rupert Reiner, geleitet wurde, sich schön entfaltet, einerseits ganz im Geiste des heiligen Benedikt, andererseits aber auch den neuesten Entwicklungen im Schul- und Bildungswesen entsprechend. Eine ganze Reihe junger Patres wurde in den verschiedensten Fächern für das Lehramt im Gymnasium ausgebildet. Da taten sich plötzlich ganz neue Perspektiven auf: Die Memminger Höheren Schulen waren so überfüllt, dass man sie zu entlasten suchte und den Plan entwickelte, für die Kinder aus dem Landkreis ein eigenes Gymnasium mit angegliederter Realschule zu schaffen. Als Schulträger wurde 1971 ein Zweckverband gegründet, der sich aus dem Altlandkreis Memmingen (jetzt Landkreis Unterallgäu), der Marktgemeinde Ottobeuren und der Benediktinerabtei Ottobeuren zusammensetzt. Nun konnte das bis dahin private Progymnasium der Abtei weiter aufgestockt und das Unterrichtsangebot erweitert werden: Außer der Sprachenfolge des humanistischen Gymnasiums (L-E-Gr) wird seit 1971 auch die des neusprachlichen Gymnasiums (L/E-E/L-F) angeboten.

Mit dem Schuljahr 1972/73 öffnete auch die geplante Realschule mit den Zweigen I (mathematisch-naturwissenschaftlich) und 11 (kaufmännisch-wirtschaftlich) ihre Pforten. Sie war für die Übergangszeit bis zur Fertigstellung des geplanten großen Schulzentrums in einem hübschen, idyllisch im Klostergarten gelegenen Schulpavillon untergebracht.
Im Herbst 1975 fand dann der Umzug in das neue Schulzentrum statt. Atmosphäre und Umgebung haben sich damit für Lehrer wie Schüler sehr verändert. Das Schulleben in der geschichtsträchtigen, kunst- und traditionsreichen Abtei hatte natürlich ein Gepräge und besondere Werte, die unwiederbringlich waren. Doch bietet das großzügig angelegte und mit modernsten Unterrichtsmitteln ausgestattete neue Schulhaus demgegenüber enorme Verbesserungen anderer Art, ungeahnte Möglichkeiten schulischer Arbeit und Entfaltung, wie sie vorher nicht zu verwirklichen waren. So erfreuen sich denn auch Gymnasium und Realschule nun eines guten Zulaufs an Schülern und so regen Interesses in der Bevölkerung des Einzugsgebietes, dass mit einer weiteren günstigen Entwicklung gerechnet werden darf.