Alle durchgenknallt!

Als an den Rupert-Ness-Schulen Plakate und Einladungen für das neue Theaterstück der gymnasialen Oberstufe verteilt wurden, hat dieser Titel über einem verfremdet barock anmutenden Gruppenfoto der Schauspieler/-innen sogleich die Neugierde geweckt: Wer ist mit „Alle durchgeknallt!“ gemeint? Die Darsteller selbst? Die Mitschüler? Oder gar die Lehrer?

Erwartungsvoll strömte das Publikum am 21. und 22. Februar 2019 in die Aula des Schulzentrums, wo ein bewusst schlicht gehaltenes Bühnenbild mit einer Bank und wenigen weiteren Requisiten aufgebaut worden war und der Theaterdirektor Herr Heribert Erbertseder höchstpersönlich eine charmante Begrüßungsrede hielt. Dabei erklärte er, dass seine Schulspielgruppe in mühevoller Arbeit eine Molière-Komödie mit dem Titel „Die gelehrten Frauen“ aus dem Jahre 1672 umgeschrieben, moderat modernisiert und neue, weniger kompliziert klingende Namen eingefügt hätte.

Gespannt und voller Vorfreude konnte das Publikum kurz darauf zwei junge, schöne, aber völlig gegensätzliche Schwestern auf der Bühne erblicken, die einen Dialog über das spannende Thema „Liebe und Ehe“ führten. Während Anastasia (Sabrina Ludwig), im eleganten schwarzen Hosenanzug, die eheliche Beziehung als „kleinkariertes Dasein“ zwischen Haushalt, „sklavischer Unterwerfung“ unter den Mann und als Beweis „geistigen Versagens“ ansieht, empfindet Mariechen (Bianca Merk), im romantischen Dirndl, mit niedlichen Zöpfen, die geplante Ehe mit ihrem geliebten Patrick als „allerhöchstes Glück“, das ihr die Schwester jedoch neidet, zumal der junge Mann ihr selbst zuvor den Hof gemacht hatte. Es kommt zum Streit, als Patrick (Jonas Zels) hinzutritt und sich offen zu Mariechen bekennt.

Um bei der Mutter seiner Auserwählten um die Hand Mariechens anzuhalten, hofft Patrick auf die freundliche Unterstützung der Tante seiner Braut, überzeugend komisch dargestellt von Manuel Deinzer im mondänen Samtkleid. Diese jedoch entpuppt sich als „männermordender Vamp“, der neben einer Reihe bekannter Lehrer der Schule nun auch diesen jungen Mann besitzen will. Während Mariechens Vater Xaver (Simon Kirchmayer) sich über die Werbung des gutherzigen Patrick aufrichtig freut, ist seine dominante Gattin Brünhilde (Emely Betrich) entsetzt, zumal sie für ihre Tochter bereits den arroganten Schöngeist und Literaten Rühl (Georg Waldmann) als Ehepartner vorgesehen hat.

Nun erfolgt eine höchst amüsante Szene: Weil die Köchin Petra, humorvoll von Laurin Ripfel mit Küchenschürze und feuerroter Perücke dargestellt, mit ihrem biederen schwäbischen Dialekt nicht dem „geistigen Niveau“ der eingebildeten Brünhilde entspricht, wird sie von dieser gnadenlos aus dem Haus geworfen, obgleich ihr Gatte Xaver von deren herausragenden Kochkünsten beglückt ist. In einem Gespräch mit seinem cleveren Bruder Siggi, von Niklas Kirchmayer im Einstein-Outfit dargestellt, wird Xaver als feiger Hasenfuß enttarnt. Siggi empfindet es außerdem als unziemlich, dass Brünhilde sich als Hausherrin aufspielt, und verspricht, seinem Bruder den Rücken zu stärken.

Während Xavers Gattin, Tante Sabine sowie Anastasia hingerissen einem geistlosen Sonett Rühls lauschen, dabei Entzückensrufe in euphorischer Begeisterung ausstoßen und Pläne für eine „Frauenakademie der Wissenschaften“ schmieden, in der man neben den Lehren des Platon und Aristoteles auch die beeindruckenden Studien zum Magnetismus des berühmten Physiklehrers Martin Schweiger studieren könnte, reagiert Mariechen abweisend und wendet sich lieber der „weiblichen Betätigung“ des Strickens zu. Nebenbei wird von den drei (ein-)gebildeten Damen der Hausdiener James (Eric Dering) schikaniert, und es kommt zu einem amüsanten Streit zwischen Rühl und einem weiteren Vertreter der griechischen Gelehrsamkeit (Laurin Ripfel), in dem es um „Stümpertum“ und „Plagiatsvorwürfe“ geht.

Nach einer köstlichen Szene, in der die alternden Brüder Xaver und Siggi Pläne schmieden, wie sie Mariechen und Patrick helfen könnten, und nebenbei in romantischen, amourösen Jugenderinnerungen schwelgen, erfolgt eine kleine Zwischenpause, in der sich die Zuschauer bei Getränken und Butterbrezen stärken können, bevor sie sich dem „Finale furioso“ zuwenden.

Dabei kommt es unter anderem zum Degenduell der beiden Rivalen um Mariechen, in dem das Publikum fasziniert die Fechtkünste Rühls und Patricks bewundern kann.

Schließlich will Brünhilde durchgreifen, indem sie einen Notar (Eric Dering) konsultiert, der in moderner Eleganz und mit Notebook ausgestattet, erscheint, um den Ehevertrag zwischen dem entsetzten Mariechen und dem triumphierenden Rühl zu schließen. Diesmal jedoch beschließt Xaver, sich durchzusetzen: „Hier im Haus zählt nur MEIN Wille und Entschluss!“ Er holt kurzerhand die treue Köchin Petra zurück, um sich von dieser tatkräftig unterstützen zu lassen, und ahnt nicht, dass sein Bruder mit Klugheit und Raffinesse längst vorgesorgt hat: In zwei von ihm eigens komponierten Briefen erhalten die Eheleute Mitteilungen von scheinbar immenser Bedeutung. Xaver habe sein Vermögen durch das unseriöse Spekulantentum bei „Lehman Brothers“, der berüchtigten US-Investment-Bank, verloren, seine Gattin hätte aufgrund eines gerichtlichen Prozesses die immense Summe von 40.000 Franken zu bezahlen. Dadurch wird Rühl, der Mariechen als „armes Mädchen“ keinesfalls mehr heiraten will, als schäbiger Mitgiftjäger enttarnt.

Nach der Aufklärung durch Siggi geben beide Eheleute ihre begeisterte Zustimmung zur Hochzeit Mariechens und Patricks, während sich zum Amüsement des Publikums die lüsterne Tante den widerstrebenden, attraktiven Notar angelt, der ihren Fängen hilflos ausgeliefert ist.

Unter frenetischem Applaus verneigten sich die ausgesprochen talentierten Schauspieler/-innen vor den Zuschauern. Ihnen ist es in unterhaltsamer und humorvoller Weise gelungen, Molières Stück in die heutige Zeit zu übertragen sowie den Gegensatz zwischen den bodenständigen, jedoch unbeholfenen Figuren und den arroganten, mit Scheinbildung prahlenden Charakteren überzeugend zu vermitteln.

Ein begeistertes Dankeschön galt den kreativen Maskenbildnerinnen Larissa Hebel, Tabea Kottek und Monika Steinhauser sowie dem Technik-Team um Heinz Gumpinger, zu dem sich sogar ehemalige Abiturienten unterstützend hinzugesellt hatten. Fachkundig und unbemerkt half die Souffleuse Tabea Kottek den jungen Darstellern, ebenso war der Bühnenbau (Jonas Pietsch, Mario Pohl) vor den beiden Aufführungen rege tätig. Das Bewirtungsteam unter Ursula Kellerer sorgte für diverse Erfrischungen in der Pause. Besonders begeistert dankten die Teilnehmer/-innen des Oberstufentheaters aber ihrem Regisseur und Leiter Herrn Erbertseder, dem es wieder einmal gelungen ist, junge Menschen für ein „klassisches“ Theaterstück zu motivieren.

Angela Städele

Molières Komödie „Die gelehrten Frauen“, auf welcher das von uns aufgeführte Stück basiert, wurde 1672 uraufgeführt und spielt im Frankreich des 17. Jahrhunderts.

Das Stück beginnt mit einer Auseinandersetzung zwischen den äußerst unterschiedlichen Schwestern Anastasia, die sich auf ihre Bildung etwas einbildet, und dem bodenständigen Mariechen über deren Verehrer Patrick. Auch die anderen gelehrten Frauen, wie die Mutter Brünhilde und deren Schwägerin Sabine, lehnen Patrick ab und befürworten stattdessen eine Ehe mit dem listigen Mitgiftjäger Rühl, dessen aufgeblasenes Pseydoliteratentum in einer Auseinandersetzung mit seinem Rivalen Hartmut demaskiert wird. Brünhilde versucht außerdem in jeder möglichen Situation ihre Gelehrsamkeit und Dominanz auszuspielen, unter anderem indem sie den Diener James herumkommandiert und beschimpft oder die Köchin Petra wegen ihres Dialektes des Hauses verweist. Der Vater Xaver, welcher auf Seite Mariechen und Petras steht, kann sich in keiner Hinsicht gegen seine Frau Brünhilde durchsetzen, weshalb er im Fall der geplanten Hochzeit auf die Unterstützung seines Bruders Siggi angewiesen ist. Jener schreitet nämlich kurz vor der Eheschließung zwischen Rühl und Mariechen ein und händigt Brünhilde zwei fingierte Briefe aus, um ihr die wahren Absichten Rühls vor Augen zu führen. So sieht diese ihre Fehleinschätzungen ein und einer Hochzeit zwischen Mariechen und Patrick steht nun nichts mehr im Wege.

Obwohl sich das Stück dem ursprünglichen Titel nach gegen die anscheinend überzogenen Ansprüche der Frauen richtet, ist es im Kern eine Bloßstellung der Bildungsüberheblichkeit auf der einen Seite, vertreten durch die Gruppe um Brünhilde, und ein Seitenhieb auf die Bildungsignoranz, repräsentiert in der Gruppe um den Vater. Am Schluss setzt sich – Wie soll es auch anders sein? - das wahre, echte Gefühl der Liebenden durch.

Um dieses Anliegen des Stückes hervorzuheben, haben wir den Titel des Stückes und die Namen der Figuren abgewandelt und allen symbolträchtige Requisiten oder Maskenelemente an die Hand gegeben bzw. auf den Kopf gesetzt: Mariechen trägt als das wohlbehütete Kind anfangs einen Schirm, Anastasia schleppt mit prall gefüllten Büchertaschen den Bildungsballast mit sich herum, Mutter und Tante verstecken ihr Unwissen hinter einer Maske, Rühl und Hartmut sind aufgeblasene Wichtigtuer, schier erdrückt unter einer übergroßen Perücke; Patrick wirkt mit seiner überlangen Schlafmütze sehr unschlüssig, die beiden Brüder sind durch ihr Äußeres als rückständig markiert. Die Köchin vertritt teils patente Ansätze, macht aber alles durch wirre Ansichten zunichte, so dass ihr die Haare zu Berge stehen müssen, der Diener bringt kaum etwas auf die Reihe, nicht einmal sein Hemd kann er ordentlich tragen und der Notar vergräbt sich hinter seinen Schreibgeräten.

Ähnlichkeiten mit unserer Zeit sind nicht beabsichtigt, lassen sich aber leider nicht vermeiden. Viel Spaß bei unserer Gesellschaftsstudie!

Bianca Merk/Manuel Deinzer